Was ist dran an Ballaststoffen? Wichtig oder nicht?

Eine Hörerin hat mich gebeten, ob ich nicht einmal etwas zum Thema Ballaststoffe erzählen kann. Da ich das bisher nicht getan habe, tue ich das heute.

In diesem Beitrag erfährst Du

  • meine persönliche Ballaststoff-Geschichte
  • was sind Ballaststoffe?
  • wozu sind Ballaststoffe gut?
  • sind Ballaststoffe essentiell?
  • in welchen Lebensmitteln sind Ballaststoffe enthalten?
  • muss ich Ballaststoffreiche Lebensmittel zu mir nehmen?
  • worauf sollte ich wirklich achten?

Ich möchte dich zuerst an meinen eigenen Erfahrungen zum Thema Ballaststoffe teilhaben lassen.

In mein Bewusstsein sind Ballaststoffe vor vielleicht 20 Jahren zum ersten Mal vorgedrungen. Ballaststoffe, das hieß für mich damals „Vollkornbrot“ und „Ballaststoffe sind gesund“.

Also kein Weißbrot oder Graubrot, sondern Vollkornbrot. Das mit den vielen ganzen Körnern drin. Das soll man mehr essen. Von mir aus. Daran kann man sich gewöhnen. Sagt man ja auch überall. Vollkornbrot ist gesünder und da sind mehr Ballaststoffe drin. Die sind gut für die Verdauung. Heißt es.

Und Cerealien natürlich, also Müsli. Haferflocken und so, jetzt nicht „Kellog’s Crunchy Coconut Pops“ , sondern Flocken aus dem Müsli-Regal. Die machen satt, da sind viele Ballaststoffe drin und die sind gesund.

Ich habe mich vor 20 Jahren darauf eingestellt und mehr Vollkornprodukte und mehr Müsli konsumiert, nicht zuletzt der Ballaststoffe wegen. Die galten halt einfach als wahnsinnig gesund, auch wenn mir damals niemand wirklich genau erklären konnte, warum.

Vor rund 10 Jahren habe ich festgestellt, dass meine Gesundheit nicht mehr ganz so kugelsicher und unerschütterlich war, wie ich sie mit 30 oder 35 Jahren gesehen und erlebt hatte. Na klar, ich war inzwischen über 40, ist ja normal, dass die Verdauung dann halt doch mal nicht so gut läuft. Die Nackenschmerzen kommen vom Stress und die Rückenschmerzen und der träge Stuhlgang kommen vom vielen sitzen.

Etwa zu der Zeit habe ich angefangen, mich intensiv mit meiner Gesundheit zu beschäftigen. Meine ersten Blutuntersuchungen stammen aus der Zeit. Ich habe sie noch; ich kann sie mit meinen heutigen Werten vergleichen.

Heute, mit 53, sind sämtliche mir bekannten Blutwerte und Gesundheitsparameter besser als vor 10 Jahren, mit 43. Und auch damals bin ich Marathon gelaufen.

Heute habe ich ausgezeichnete Blutwerte: Aminosäuren, Vitamine, Mineralstoffe, Fettsäuren. Blutdruck, Blutzucker, Blutfette, ich habe heute mehr Muskelmasse, weniger Körperfett, ich bin stärker, ich bin beweglicher, ich bin gesünder.

Was mich in den letzten 10 Jahren von allen gesundheitlichen Themen, Tipps und Ideen am wenigsten interessiert hat – das sind die Ballaststoffe.

Um Ballaststoffe habe ich mich seit 10 Jahren nicht mehr gekümmert. Ganz ehrlich. Und ich tut es auch heute nicht. Und offenbar hat mich diese sträfliche Missachtung der „gesunden Ballaststoffe“ nicht daran gehindert, gesünder, fitter und fröhlicher zu werden, als ich es damals war.

Aber das heißt ja noch gar nichts.

Lass uns doch mal gemeinsam nachschauen, was Ballaststoffe eigentlich sind. Fragen wir Wikipedia:

Ballaststoffe

„Ballaststoffe sind weitgehend unverdauliche Nahrungsbestandteile, meist Kohlenhydrate, die vorwiegend in pflanzlichen Lebensmitteln vorkommen. Sie kommen unter anderem in Getreide, Obst, Gemüse, Hülsenfrüchten und in geringen Mengen in Milch vor. Der Einfachheit wegen teilt man die Ballaststoffe in wasserlösliche (wie Johannisbrotkernmehl, Guar, Pektin und Dextrine) und wasserunlösliche (zum Beispiel Cellulose) ein.“

Ballaststoffe sind also weitgehend unverdauliche Nahrungsbestandteile.

Worin kommen Ballaststoffe nochmal vor?

In Haferflocken, Hülsenfrüchten, Karotten und Sellerie, in Nüssen, Leinsamen, in Äpfeln, Blaubeeren Orangen, in Brokkoli, Blattsalat und Blumenkohl, in Linsen, Erdbeeren und Avocados, in Birnen und Karotten, in Nüssen, in Pflaumen und in Pilzen in Mandeln und Flohsamenschalen.

Kurz und gut: In allen pflanzlichen Nahrungsmitteln gibt es weitgehend unverdauliche Bestandteile.

Und wofür essen wir Ballaststoffe jetzt genau?

Essentielle Vitalstoffe sind es nicht. Was unverdaulich den Darm passiert, kann der Körper offensichtlich auch nicht als Brennstoff zur Energieerzeugung verwenden. Als Baustoff für neue Zellen kommen sie dann auch nicht in Betracht und als Hilfsstoff für biologische Prozesse – wie Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente – taugen sie dann auch nicht. Sie dringen ja praktisch gar nicht durch die Darmwand in den Körper ein. Sie werden ja wieder ausgeschieden. Wozu sind sie dann gut?

Vielleicht spielen Sie eine Rolle als mechanisches Hilfsmittel? Ich stelle mir ein weißes, 2 Meter langes Rohr aus Plastik vor, mit dem Durchmesser eines Feuerwehrschlauches. In dem sitzt ein Klumpen einer klebrigen, blauen Masse, behindert den Durchfluss und verstopft dieses Rohr. Und jetzt nehme ich mir eine Klobürste und befestige sie vorn an einem Besenstil. Ich führe das lange Ding mit der Bürste an der Spitze in den Schlauch ein und kratze damit das blaue Zeug aus dem Schlauch. Dann läuft es wieder.

Und damit es nicht gleich wieder verstopft, verändere ich die blaue Masse, die ich durch das Rohr leiten will. Ich gebe noch etwas hinzu, ein Granulat und Wasser zum Beispiel. Jetzt ist das blaue Zeug nicht mehr klebrig und es läuft durch, ohne das Rohr zu verstopfen.

Vielleicht ist das die Rolle, die Ballaststoffe für uns spielen.

Das weiße Rohr, das ist der Schlauch, der durch unseren Körper geht. Der oben als Mund beginnt, der in der Mitte eine Ausbuchtung hat, den Magen, der dann als Darm im Bauchraum liegt und der unten wieder einen Ausgang hat.

Die Blaue Masse ist unsere Nahrung und die Konsistenz, das Volumen, spielt eine Rolle, damit die Nahrung unseren Verdauungsschlauch geschmeidig passieren kann, während ihr die 47 Vitalstoffe, die wir brauchen, entzogen werden.

Wenn man sich die Literatur ansieht, dann stößt man auf ähnliche Erklärungsversuche für die Bedeutung von Ballaststoffen.

Es heißt: Ballaststoffe binden Wasser. Damit verändern sie die Konsistenz der Nahrung im Magen und sie vergrößern auch das Nahrungsvolumen. Was wiederum den Magen mehr dehnt als Nahrung ohne Ballaststoffe und Wasser das tun würde. Das hat Einfluss auf das Sättigungsgefühl.

Außerdem verlängern sie die Verweildauer der Nahrung in Magen und im Darm passiert das Gegenteil. Das höhere Volumen drückt auf die Darmwand und regt die Peristaltik an, also die Muskeltätigkeit des Darms, die den Nahrungsbrei richtig Ausgang drückt.

Wenn ich die Internetseiten und Veröffentlichungen zum Thema Ballaststoffe lese, vernebeln mir die Details den Blick auf das Wesentliche. Das Wesentliche ist, was das Thema Ballaststoffe für mich konkret bedeutet.

Das alles kommt mir so vor, als würde ich durch ein Mikroskop auf den Schwanz eines Tieres schauen. Ich würde kleinste Details erkennen, aber ich würde mit dem Mikroskop nicht herausfinden, ob es sich um den Schwanz einer Maus oder um den Schwanz eines Elefanten handelt.

Ein Forscher würde vielleicht einen weiteren Experten hinzuziehen. Ich trete einfach 2-3 Schritte zurück und dann sehe ich schon, ob ich einen Elefanten oder eine Maus vor mir habe. Und das sollten wir hier beim Thema Ballaststoffe auch mal tun – 2-3 Schritte zurück treten.

Einige praktische Beispiele:

Es gibt – noch immer – wenige, ursprünglich lebende Eskimos und die sind sowas von gesund, stark, unfassbar belastbar und widerstandsfähig. Sie ernähren sich hauptsächlich von Fisch, haben praktisch keinen Zugang zu pflanzlicher Nahrung, nehmen damit praktisch keine Ballaststoffe auf und leben ein gesundes und langes Leben.

Da gab es das Experiment zweier norwegischer Forscher, Steffanson und Anderson, die sich 1929 ein Jahr lang ausschließlich von Fleisch und Wasser ernährt haben. Null Ballaststoffe. Nach diesem Jahr ohne Ballaststoffe waren sie schlank, gesund und fit und hatten einen normalen Cholesterinwert.

Offensichtlich geht es auch ganz ohne Ballaststoffe. Zumindest bei Eskimos und bei norwegischen Forschern.

Wir schreiben das Jahr 10.000 vor Christus. Oder 30.000 Jahre oder 150.000 Jahre. Ganz egal, macht keinen Unterschied.

Menschen zu der Zeit waren von der Sorte Homo Sapiens, so wie wir. Sie hatten die gleichen Zähne wie wir, den gleichen Magen wie wir, den gleichen Darm wie wir, den gleichen Stoffwechsel wie wir.

Und sie aßen das, was da war.

Pflanzen, also Blätter, Nüsse, Samen, Wurzeln und Früchte.

Und auch Tiere: Wildschweine und Schnecken, Mammuts und Eichhörnchen, Hasen, Insekten und Eier aus Nestern.

Vollkornbrot? Fehlanzeige, Kellogg´s Frühstücks-Müsli? Nein.

Aber Ballaststoffe? Die hatten zumindest die Menschen, die einen Teil, vielleicht sogar einen Großteil ihrer Nahrung aus pflanzlichen Quellen bezogen. Diese enthalten automatisch auch immer Ballaststoffe. Immer wenn Blätter, Wurzeln, Nüsse, Samen und Früchte auf dem Speiseplan standen, waren auch unverdauliche Bestandteile dabei. Also Ballaststoffe.

Und außerdem haben sich die Menschen artgerecht bewegt. Täglich auf der Jagd oder beim Sammeln haben sie viele Tausend Schritte getan und ihre Muskeln benutzt. Und hin und wieder auf der Jagd oder auf der Flucht mussten sie richtig Vollgas geben.

Heute essen Menschen verarbeitete Lebensmittel mit hoher Energiedichte. Sie sitzen 8 oder 10 Stunden am Tag am Arbeitsplatz, im Auto, in der Bahn, am Tisch und auf dem Sofa. Heute haben Menschen eine träge Verdauung, sogar oft Verstopfung und Hämorriden und man sagt ihnen, sie sollten darauf achten, dass sie genug Ballaststoffe zu sich nehmen.

Und dann verweist man auf Vollkornbrot, von denen 2 Scheiben ebenso viele Kohlenhydrate, also Zucker enthalten, wie anderthalb Tafeln Vollmilchschokolade, aber weniger Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente.

Anstatt ihnen zu sagen, dass sie echtes Essen zu sich nehmen und sich bewegen sollten. So wie die Natur sich das für unsere Zähne, unseren Magen, unseren Darm und unseren Stoffwechsel gedacht hat.

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Was bedeutet echtes Essen heute?

  • Gemüse, Gemüse, Gemüse (natürlich und natürlich mit Ballaststoffen)
  • Samen und Nüsse (natürlich und natürlich mit Ballaststoffen)
  • Hin und wieder Früchte (natürlich … du weißt schon)
  • Fleisch, Fisch und Eier (natürlich und ohne Ballaststoffe, aber kein Problem, da das meiste, was ich esse, ja Gemüse ist)
  • vielleicht auch Milchprodukte

Was bedeutet Bewegung heute?

  • Schritte sammeln: 10.000 am Tag ist ein cooles Ziel und 2.000 ist viel zu wenig
  • Muskeln benutzen und hin und wieder Vollgas geben
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Wir Bohlmanns essen auch das berühmte Quarkbrot von Nicole:

Besteht aus 500g Quark, 5 Eiern, 100g Leinmehl, 100g Sonnenblumenkernen und einem Löffel Olivenöl. Da sind natürlich auch Ballaststoffe drin. Automatisch.

Und wie sieht Nahrung aus, die das Rohr verstopft, so wie blaue klebrige Masse?

Eine Portion gekochte Vollkorn-Spaghetti als Hauptgericht wiegt 200g und enthält 300kcal bei 8g Ballaststoffen. Das nenne ich hohe Energiedichte, aber immerhin 8g Ballaststoffe, weil wir auf die Vollkornnudeln bestehen.

Für die gleiche Energie müsste ich 1,5kg gekochten Brokkoli essen, das sind auch 300kcal und liefert an Ballaststoffen? 45g! Also fünf Mal mehr als die Vollkorn-Pasta. Und weißt du, wie viel Volumen das ist? 7-8 Teller voll!

Also: Ich achte seit 10 Jahren nicht mehr auf Ballaststoffe und bin mit Mitte 50 messbar gesünder und fitter als mit Mitte 40, als ich mich noch bewusst ballaststoffreich ernährt habe.

Ballaststoffe sind nichts, worauf ich achten muss. Weil ich auf etwas andere achte: auf meine artgerechte Ernährung und auf meine artgerechte Bewegung.

Artgerechte Ernährung bedeutet nicht „reich an Ballaststoffen“, sondern

  • reich an Vitalstoffen
  • von hoher Qualität, z.B. bio
  • möglichst unverarbeitet

Da lande ich bei Gemüse, Samen und Nüssen, Früchten, Fleisch, Fisch, Eiern und bei mir auch Milchprodukten. Bei dem Spektrum muss ich mir um Ballaststoffe keine Gedanken machen, weil sie automatisch drin sind. Leere Kohlenhydrate sind da nur hin und wieder als Genussmittel dabei.

Auf Vollkornbrot und Vollkornnudeln kann ich sehr gut verzichten. Denn damit würde ich mir auf der Suche nach einer Lösung ein Problem einfangen.

Hör oder lies dazu bitte noch einmal die Folgen #62 und #63 an: Besser essen Teil 1 und Teil 2 mit Know-how und Ideen für Frühstück, Hauptmahlzeiten, Beilagen etc.

Viel Spaß dabei!

Join the discussion 2 Comments

  • Eric Richter sagt:

    Hallo lieber Ralf,

    an erster Stelle möchte ich dir recht herzlich für deinen Podcast danken. Er komplettiert mein Wissen über eine gesunde Lebensweise umfassend und ist mein allwöchentlicher Begleiter zum Frühstück. Besonders möchte ich hier deinen Baumstamm-Zahnstocher-Analogie herausstellen, welcher den Fokus eindeutig auf die Basics in Sachen gesunde Lebensführung richtet. Leider verlieren sich viele Menschen im Klein-Klein im Rahmen der Eigenverantwortung um ihre Gesundheit.

    Nun zu deinem letzten Podcast bezüglich Ballaststoffe. Ich möchte deinen Informationen sehr gerne mit einem kurzen YouTube-Video ergänzen, welches genau die Ballaststoff-Theorie beleuchtet und in deinem Sinne argumentiert. -> https://youtu.be/T0bsqzwkhMo
    Bezüglich der Eskimo-Theorie möchte ich dir jedoch gerne auch ein sehr kurzes Video ans Herz legen und dich um deine Meinung bezüglich der Thematik Fisch / Omega-3 bitten. -> https://youtu.be/9LvGiiZyn-M
    Ich empfehle bei beiden den Untertitel zu aktivieren. Der gute Herr hat eine sehr interessante englische Aussprache 🙂

    Mach bitte weiter so und bleib so neugierig wie du bist.

    Mit freundlichen Grüßen,
    Eric

    • Ralf Bohlmann sagt:

      Hallo Eric, danke für dein Feedback.Bezüglich des Themas Fischöl …

      Wir sind doch längst über den Punkt hinweg, an dem wir nur mutmaßen. Wir können heute im Blut direkt messen. Bei uns selbst. Habe ich getan. Ein ausgewogenes Omega-3 zu Omega-6 Fettsäurverhältniss verringert Entzündungswerte (kann man im Blut messen) und schützt damit unter anderem Blutgefäße (die kann man untersuchen). Fischökapseln verbessern mein Omega-3 zu Omega-6 Fettsäureverhältnis (hab ich gemessen). Der angeblich so miserable Gesundheitszustand von Eskimos ist doch wohl ebenso „anekdotisch“ wie der herzgesunde, von dem es offenbar erheblich mehr und durchaus glaubwürdige Berichte gibt. Wieviele Mumien hat man da untersucht? 2? Am Ende darf jeder glauben, was er glauben möchte.

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