Nicht zu viel?

Heute geht es um den dritten Teil von Mark Pollans Buch* zur Frage „Was soll ich Essen?“ Wir haben bereits über die ersten zwei Antworten dazu gesprochen – „Iss echtes Essen“ und „vorwiegend Pflanzen.“ Die dritte Antwort lautet: „Nicht zu viel.“

Es geht um Essgewohnheiten und um unsere Beziehung zu Nahrung und zum Essen allgemein. Wir essen ja nicht nur weil wir Hunger haben…

Vor einiger Zeit habe ich eine junge Frau aus Berlin für ein paar Wochen als Coach unterstützt. Michel hieß sie. Michel war nicht krank. Sie war auch nicht deutlich übergewichtig. Und zufrieden war sie auch nicht. Ihre Figur gefiel ihr nicht. Es war die Region im, am und um den Bauch herum, die ihr nicht gefiel.

Zuerst einmal haben wir gemeinsam herausgefunden, wie die beste Version von ihr denn überhaupt aussieht. Da hatte Michel bisher nur eine etwas schwammige Vorstellung, so etwas wie „weniger Bauch, nicht so viel Schwabbel, nicht so schlapp fühlen.“

Stell dir mal vor: weniger Bauch, nicht so viel Schwabbel, nicht so schlapp fühlen. Was für Bilder hast du dabei im Kopf? Bauch, Schwabbel und schlapp, oder?

Wir haben das Bild in eine konkretere Vorstellung von der besten Version von ihr verwandelt. Das sieht jetzt so aus: Joggen mit flachem Bauch im Bikini an einem Strand am Mittelmeer.

Stell dir auch das bitte mal vor: flacher Bauch, Bikini, Strand, joggen. Lass mich raten: Da erscheint ein völlig anderes Bild vor deinem geistigen Auge, oder?

Welches Bild motiviert dich mehr: Das erste Bild von weniger Bauch, weniger Schwabbel und nicht so schlapp? Oder das Bild von dir joggend, mit flachem Bauch im Bikini oder Badehose am Strand? Eben, aber das nur nebenbei.

Ich habe mit Michel eine Bestandsaufnahme gemacht: Welche Gewohnheiten prägen die entscheidenden Lebensbereiche für ihre beste Version? Auffällig war, dass Michel ein paar Gewohnheiten im Bereich Ernährung hatte, die zu ihrem Thema mit dem Bauch passten: Michel hat viel gesundes Obst gegessen. Zu viel!

Zum Frühstück ein Apfel im Müsli, ein Apfel am Vormittag, eine Kiwi zum Mittag, noch ein Apfel am Nachmittag, eine Banane vor oder nach dem Sport und nach dem Abendessen nochmal ein Apfel. Klingt erstmal gesund oder?

Rund 500 g Obst kamen bei Michel am Tag zusammen. Das sind aber auch 50 g Zucker, 12 Teelöffel um genau zu sein. Zwei Drittel davon bestehen aus Fructose, die erstmal zum größten Teil in der Leber zu Fett verstoffwechselt wird, anstatt sofort in den Zellen verbrannt zu werden, wie es bei Glucose der Fall wäre.

Stell dir mal eine Schüssel mit 12 Teelöffeln Zucker vor. Würdest du das jeden Tag essen wollen und dabei denken, es sei gesund?

Was würde passieren, wenn du jeden Tag zusätzlich zu den normalen Mahlzeiten 12 Teelöffel Zucker essen würdest?

Oder anderes herum: Was würde passieren, wenn du diese Menge Zucker täglich weglassen würdest? Wir reden hier über 200 Kalorien am Tag.

Michel hat das Obst nicht gegessen, weil sie Hunger hatte, sondern weil sie allein war oder müde oder gestresst oder weil sie eine kleine Pause brauchte. Ein leckerer, knackiger, süßer Apfel hilft natürlich dagegen – mit einer kleinen Dosis vom Belohnungshormon Dopamin.

Von diesen 200 Kalorien am Tag wird die Hälfte zuerst einmal in Fett verwandelt und das zusätzlich zu einer ausgewogenen Ernährung. Wir haben uns um diese Gewohnheiten gekümmert. Am Ende kam heraus: not too much – nicht zu viel. Und schon hat es bei Michel geklappt. Sie hat mir von ihrem Strand am Mittelmeer ein Foto geschickt.

Damit sind wir beim Thema: Was soll ich essen? Teil 3: Nicht zu viel

Ja, das klingt wieder so banal, nach „weiß ich selbst.“ Aber Michel wäre nicht darauf gekommen, dass sie sich mit ein paar kleinen Essgewohnheiten genau an dieser Stelle im Weg stand.

Also zurück zum Buch von Michael Pollan* mit dem Untertitel „Goldene Regeln für eine gute Ernährung.“ Hier noch einmal zur Erinnerung:

1. Goldene Regel: Iss Echtes Essen
Es geht darum, weitestgehend natürliche, möglichst unverarbeitet Lebensmittel von hoher Qualität zu sich zu nehmen und so oft wie möglich die essbaren, nahrungsmittelähnlichen Substanzen und Artikel vom Teller zu schubsen.

2. Goldene Regel: Vorwiegend Pflanzen
Nicht alles, sondern das Meiste auf dem Teller sollte Gemüse in jeder beliebigen Form sein. Möglichst bunt, möglichst vielfältig. Der Nährstoffe wegen, der Ballaststoffe wegen.

3. Goldene Regel: Not too much – nicht zu viel

Ich möchte „nicht zu viel“ nicht pauschal als „iss weniger“ verstanden wissen.

Es gibt eine Menge Menschen, die mit dem Ergebnis ihrer Ernährung sehr zufrieden sind. Warum sollten die weniger essen?

Und auch für die, die noch nicht ganz zufrieden sind, lautet die Lösung nicht unbedingt „iss weniger“, sondern zuallererst einmal iss echtes Essen. Natürliche, möglichst unbehandelte Lebensmittel voller Vitalstoffe. Dann lautet die zweite Empfehlung: Iss eine Menge Pflanzen – Gemüse. Natürlich müssen dabei gute, hochwertige, tierische Produkte nicht komplett vom Teller verschwinden. Und dann kommt als dritte Regel der Tipp „maßvoll“, „nicht zu viel“ ins Spiel.

Damit es dir nicht aus Versehen so ergeht wie Michel, die nebenbei und ohne sich dessen bewusst zu sein, 200 Kalorien am Tag in Form von Obst zusätzlich zu den perfekten Mahlzeiten verdrückt hat. Nicht aus Hunger, sondern weil sie allein war oder müde oder gestresst oder unkonzentriert oder, oder, oder.

Was heißt das jetzt in der Praxis?

Hier kommen wieder die amüsanten, kleinen Regeln von Michael Pollan ins Spiel.
Vorab in Auszügen der Einleitungstext:

„Wie Sie essen beeinflusst Ihre Gesundheit und Ihr Gewicht genauso sehr wie das, was Sie essen.

Die Franzosen essen alle möglichen, angeblich todbringenden, fettreichen Lebensmittel und spülen sie mit Rotwein hinunter. Trotzdem sind sie gesünder, schlanker und langlebiger als beispielsweise die Amerikaner. Vielleicht liegt es daran, dass sie eine ganz andere Beziehung zum Essen haben.

Sie essen nur selten etwas zwischendurch, schmausen kleine Portionen von kleinen Tellern, holen sich keinen Nachschlag und nehmen den größten Teil ihrer Nahrung ohne Eile bei langen Mahlzeiten und gemeinsam mit anderen Menschen ein.

Die Regeln, die dem zugrunde liegen, sind möglicherweise wichtiger, als ein einzelner, magischer Nährstoff im Essen. Deshalb sollen die folgenden Regeln eine gesündere Beziehung zum Essen fördern, ganz egal, WAS Sie essen.“

Also, darum geht es: Um unsere Beziehung zur Nahrung und zum Essen an sich.

Hier folgen beispielhaft ein paar der Regeln aus dem Buch:

#53 Zahlen Sie mehr, essen Sie weniger.
Gemeint ist, dass auch beim Essen Qualität ihren Preis hat. Ich gebe heute mein Geld lieber für Qualität als für Quantität aus. Und ich habe festgestellt, dass ich auf dem Wochenmarkt sehr oft viel bessere Lebensmittel bekomme, die eben nicht teurer sind als die verpackte Ware aus dem Supermarkt.

#56 Essen Sie, wenn Sie Hunger haben, nicht wenn Sie sich langweilen.
Bei vielen von hat Essen überraschend wenig mit Hunger zu tun. Wir essen aus Langeweile, aus Frust, um uns zu beschäftigen oder um uns zu belohnen. Ich kenne das auch. Essen ist ein teures Antidepressivum.
Manchmal hilft die Frage: Habe ich wirklich Hunger?

#61 Nehmen Sie zuerst Gemüse.
In manchen Ländern ist es üblich, zuerst einen Salat zu essen oder das Gemüse. Wenn du, hungrig wie du bist, zuerst mit Gemüse beginnst, isst du tendenziell mehr davon und füllst damit schon mal den Magen. Guter Tipp. Immer zuerst das Gemüse.

#67 Kaufen Sie kleinere Teller.
Ein Forscher hat festgestellt, dass seine Testpersonen schon allein dadurch 22 % weniger aßen, wenn die Teller statt 30 cm nur 25 cm Durchmesser hatten. Interessant oder?

#68 Nehmen Sie eine angemessene Portion und holen Sie keinen Nachschlag.
Beim Nachschlag verliert man die Kontrolle über die Portionsgröße. Aber was ist angemessen? Das hängt natürlich von verschiedenen Faktoren wie z.B. der Körpergröße ab. Es gibt ein paar Volksweisheiten als Faustregel: Fleisch, Fisch etc. sollten nicht größer sein als die eigene Faust und eine Mahlzeit etwas mehr als in beide hohlen Hände passt. Du findest heraus, was für dich passt.

#73 Essen Sie immer an einem Esstisch.
Das bedeutet: ein Schreibtisch ist kein Esstisch, die Couch ist kein Esstisch, das Auto ist kein Esstisch, der Fußweg zur Arbeit ist kein Esstisch.

#78 Essen Sie möglichst nicht allein.
In Untersuchungen haben Menschen, die zu wenig essen, bei gemeinsamen Mahlzeiten mehr gegessen und Menschen, die zu viel essen, aßen bei gemeinsamen Mahlzeiten weniger. Tendenziell essen wir in Gemeinschaft langsamer und außer dem Essen passiert bei gemeinsamen Mahlzeiten ja auch noch viel mehr außer, dass wir essen.

#82 Kochen Sie.
Kochen ist, so sagt es der Autor, vermutlich das allerwichtigste, was wir in puncto Ernährung für unsere Gesundheit tun können.
Wenn wir die Zubereitung unserer Nahrung zu einem Hobby machen oder zumindest zu etwas, das wir gerne tun, wann immer wir die Möglichkeit dazu haben, bringt uns das ganz sicher einen Schritt in die richtige Richtung. Ja, ich weiß, das klingt mühsam und für manche ist das auch einfach nicht zu machen. Und dennoch, ich möchte eine Lanze dafür brechen, dass du dir so oft wie möglich die Zeit nimmst, nach guten Quellen für gute Lebens-Mittel zu suchen, einzukaufen, selbst zu kochen und möglichst viele Mahlzeiten in Ruhe am Esstisch gemeinsam mit anderen Menschen einzunehmen.

#83 Brechen Sie ab und zu die Regeln. 😉
Die zwanghafte Beschäftigung mit Ernährungsregeln tut unserer Gesundheit auch nicht gut. Es gibt Gelegenheiten, bei denen du all die Regeln gern über Bord werfen möchtest und auch darfst. Das ist kein Weltuntergang. Was zählt ist das, was an einem normalen Tag dein Verhalten bestimmt. Was zählt sind die Gewohnheiten und nicht die Ausnahmen.

Die Idee der letzten 3 Folgen ist, dass ich dir ein paar Ideen zum Nachdenken anbieten möchte, von denen du dir diejenigen heraus pickst, die für dich passen und die bei dir hängen bleiben. Einfache, einleuchtende Formeln wie: Echtes Essen, vorwiegend Pflanzen, nicht zu viel.

Bei mir sind nach der Lektüre des Buches ein paar Dinge hängen geblieben. Ich stelle mir regelmäßig die Frage: Ist das echtes Essen? Und im Zweifel lass ich es liegen. „Vorwiegend Pflanzen“ hat mir geholfen, noch mehr auf viel Gemüse und Co. zu achten. Und „not too much“ erinnert mich daran, meine Mahlzeiten ohne Smartphone in der Hand, in Ruhe, am Esstisch und möglichst mit anderen Menschen zusammen einzunehmen. Nicht mehr und nicht weniger.

Ich hoffe, bei dir ist es ähnlich.

Viel Spaß und bis zum nächsten Mal, dein Ralf Bohlmann.

Zu meinen Seminaren

PS: Die Termine für meine Seminare im Herbst stehen fest. Ich freue mich sehr, wenn du dabei bist. Hier kannst du dich informieren und anmelden.

PPS: Momentan kursiert ein Video zum Thema Kokosöl im Netz, das viel Aufregung verursacht hat. Mich haben dazu viele Fragen erreicht, die ich nicht unbeantwortet lassen möchte. Meine Gedanken dazu findest du in diesem Artikel.

 

Ist Kokosöl Gift?

 

Leave a Reply