So wirst du ein Läufer 

Vorhin beim Laufen hab ich quasi den Arbeitstag mental abgeschlossen. Das hat nicht lange gedauert, 1-2 Kilometer vielleicht, dann sind mir die Ideen wie am Fließband gekommen. Beim Laufen kann ich wunderbar Ideen produzieren, sammeln, verwerfen, sortieren, strukturieren und speichern. Die Zeit, die ich beim Laufen verbringe, ist nie verloren. Die Zeit spare ich hinterher locker wieder ein. Ich habe also nicht nur nix verloren, ich habe zusätzlich noch was gewonnen. Den gesundheitlichen Effekt und den Fitness-Effekt.

Warum die Ideen beim Laufen so sprudeln?

Mein Gehirn bekommt mehr Sauerstoff beim Laufen. Verglichen mit Sitzen auf einem Bürostuhl kommt beim Laufen angeblich doppelt soviel Sauerstoff im Hirn an. Also sobald du ein Läufer bist, wird dein Gehirn Ideen für deine Projekt und Lösungen für deine Themen produzieren. Solange du noch den Läufer in dir noch entwickelst, ist dein Gehirn damit beschäftig, Lösungen zum Thema Laufen zu finden. Die richtige Schrittlänge und Schrittfrequenz, den richtigen Atemrhythmus, die richtige Lauftechnik und wie du bei all dem einen möglichst entspannten Gesichtsausdruck hinbekommst. Ich nenne das Bodymanagement.

Ich kenne viele Einsteiger, die mir sagen „ich habe 0 Ideen beim Laufen, ich kann überhaupt nicht entspannen…“. Wenn das bei dir auch so ist, bist du noch mit Bodymanagement beschäftigt. Das ist normal, hab Geduld. Dein Körper kriegt das früher oder später auf die Reihe und dann, ja dann kommt die Magie. Eines Tages hat dein Körper das einigermaßen drauf, hat für´s Laufen die Lösungen parat und dann ist dein Geist frei. Frei für Ideen, Lösungen und Träume.

Bei mir ist so, dass mein Körper auf den ersten 1-2 Kilometern die System checkt: Wie bin ich drauf? Wie ist mein Energie-Level, Blutzuckerspiegel, Trainingszustand? Was steht an, kurze Runde oder Lange, langsam oder flott ? Wie ist das Wetter? Zwickt irgendwo der Schuh? Und dann geht es los: Dann liefert mein Gehirn Ideen wenn ich welche brauche, Lösungen wenn ich Themen oder Herausforderungen habe oder wenn nichts davon gebraucht wird, dann empfange ich Träume. Tagträume – aber so richtig in Farbe, mit Musik und allem Schnickschnack. Hin und wieder so realistisch, dass mir beim Lauf die Tränen herunter laufen. Je nach Art des Tagtraums Tränen des Glücks, der Trauer oder der Rührung. Es ist mir schon passiert, dass ich so tun musste, als hätte ich was in Auge bekommen, wenn mir jemand entgegen kam. Es gibt so eine Liedzeile „In meinem Blut werfen Endorphine Blasen“. So kommt es mir auch manchmal vor.

Also das mit den Ideen, Lösungen und so, das klappt absolut zuverlässig. Darauf kann ich mich ziemlich blind verlassen. Tagträumen bis die Tränen kommen, da dürfen dann schon 2-3 Dinge zusammen kommen und hin und wieder gibt es mal ein Runners-High. Einen kleinen oder großen Laufrausch. Dann, wenn es ich gut drauf bin und dann mal etwas mehr Gas gebe also sonst. Dann spüre ich manchmal, wie die Schritte immer länger und immer leichter werden. Wie ich immer schneller werde und das Signal „hey mach langsam, du bist nicht Usain Bolt“, das kommt einfach nicht. Dann fühlt es für ein kurzes Stück, die letzten 2-3 Kilometer vielleicht, so an als könnte ich fliegen. Als könnte ich endlos weiter beschleunigen und alles in Grund in Boden rennen. Dann stimmt einfach alles, die Atmung, der Fokus, die Schrittlänge, der Speed. Laufen wie im Rausch, im Flow. Unglaublich. Was ich leider noch nicht rausgefunden habe, ist wie ich das Runners-High zuverlässig reproduzieren kann. Das passiert einfach manchmal. Aber nie wenn man es erzwingen will. Die einzige Lösung: Laufen. Aber wer das mal erlebt hat… Hmmmm 🙂

Laura hat mir geschrieben, sie möchte wissen, wie sich Laufen auf Herz, Immunsystem, Hormonhaushalt und Gehirn aus wirkt. Fangen wir mit Gehirn an. Zum einen wird es beim Laufen besser durchblutet. Mit all seinen wünschenswerten Effekten. Das hatten wir schon. Zum anderen stellt das Laufen für das Gehirn eine sehr komplexe Aufgabe dar. Es werden 70% deiner Muskeln gleichzeitig und rhythmisch koordiniert, damit du nicht auf die Nase fällst, dazu die Atmung, Stoffwechsel und weitere Körperfunktionen. Eine Menge Reize aus der Umwelt allgemein: die Umgebung, Geräusche, Gerüche, optische Reize, all das muss in rasender Geschwindigkeit verarbeitet werden. Weil das so ist, ist Laufen wie eine Trainingseinheit für´s Gehirn. Es werden sogar neue, neuronale Verbindungen geknüpft. Früher dachte man, das im erwachsenen Gehirn keine neuen Nervenzellen mehr gebildet werden. Stimmt nicht. In bestimmten Regionen des Gehirns (z.B. Hippocampus) können auch im erwachsenen Gehirn neue Zellen entstehen. Dabei hilft es das Gehirn zu benutzen und zu trainieren. Bewegung, insbesondere Laufen, gilt dabei als noch wesentlich effektiver als das Lösen von Kreuzworträtseln.

Das Herz ist ein Muskel und wenn du einen Muskel trainierst, dann wird er leistungsfähiger. Das ist das eine. Beim Laufen passiert noch mehr. Das beanspruchte Herz wird mit Blut  und damit mit Sauerstoff versorgt. Beim Lauf entstehen neue Kapillare, neue Verzweigungen, neue kleine Blutgefäße, die das Herz versorgen. Deine Herzkranzgefäße werden mehr und sie werden leistungsfähiger. Natürlich macht dich das insgesamt körperlich leistungsfähiger. Also fitter. Und ebenso profitiert auch dein Immunsystem. Wer verantwortungsbewusst, regelmäßig, mehrmals pro Woche läuft und sich gut ernährt, gut schläft, entspannt, hat ein bärenstarkes Immunsystem. Warum genau, das geht hier zu weit. Aber das es so ist, dass ist längst bewiesen. Das gilt ebenso für den Hormonhaushalt. Über Glückshormone und Laufen hab ich ja schon was gesagt und da passiert noch mehr. 

Fitness-Effekte? Deine Muskeln und dein Herz werden stärker und ausdauernder. Alles, was dich mit Sauerstoff versorgt. Dein Zwerchfell zieht die Luft in deine Lungen und presst sie wieder hinaus. Die Bronchien verteilen die Luft in den Lungen, die Lungen nehmen den Sauerstoff auf. Im Blut wird der Sauerstoffe in jeden Winkel deines Körpers transportiert. Das alles trainierst du. Das macht dich fitter, bei allem was du tust. Beim Denken, beim Einkäufe heimtragen, beim Federball spielen, beim Treppen steigen, bei Rad fahren, beim Tanzen, beim Lachen und beim Sex. Du merkst schon, ich verspreche dir das Blaue von Himmel und ich schwöre dir, das alles ist längst bewiesen. Und ich habe auch noch niemanden getroffen, der ersthaft behauptet hätte, das Laufen, richtig und verantwortungsvoll praktiziert, keine positiven gesundheitlichen Effekte hat.

Um das „ja, aber“ gleich vorweg zu nehmen. Ich setze voraus, das du zwei Beine hast und einen BMI unter 30, das du körperlich gesund bist und das du deinem Körper die Chance gibts, sich langsam (wieder) an die natürlichste Form der Fortbewegung zu gewöhnen. Falls irgend etwas davon auf dich nicht zutrifft, dann frag bitte deinen Arzt oder Apotheker.

Wie du zum Läufer wirst

Laufen ist die einfachste und natürlichste Sache der Welt. Es unterscheidet sich vom Gehen dadurch, dass bei jedem Schritt kurzfristig beide Beine den Boden verlassen. Du springst also mit einem Bein ab und landest mit dem anderen. Dann springst du mit dem Anderen ab und landest auf dem Einen. Und so weiter. Jedes Kind lernt das zwischen dem ersten und dem dritten Lebensjahr und es hat nicht den blassesten Schimmer, was es da tut. Muss es auch nicht. Der Delphin weiß auch nicht wie schwimmen geht. Er tut es einfach. Auch du kannst Laufen, auf die eine oder andere Art. Da bin ich sicher. Aber vielleicht würdest du dich noch nicht als Läufer bezeichnen.

Was ist denn ein Läufer?

Für mich ist ein Läufer jemand, der regelmäßig, mindestens einmal, besser mehrmals in der Woche, für ein paar Minuten läuft. Vor mir aus auch schwäbisch läuft, also geht. Aber dann mindestes stramm marschiert. Größere, schnellere Schritte als beim Spazierengehen bitte. Sonst zählt es nun wirklich nicht. Aber damit bist du für mich schon ein Läufer. Das macht dich noch nicht zur Rakete und darum geht es ja erst einmal noch gar nicht. Als erstes brauchst du den Wunsch und den festen Willen, ein Läufer zu werden, dann machen wir die einen Laufreflex. Technik, Pulsfrequenz und Geschwindigkeit verschieben wir nochmal.

Die folgend Tipps sind für völlige Anfänger ebenso geeignet wie für Menschen, die schon gelaufen sind oder tatsächlich hin und wieder bereits laufen. Die sich aber aus irgend einem Grund nicht als Läufer bezeichnen würden. Zum Beispiel weil sie nicht regelmäßig oder nicht regelmäßig genug laufen. Jedes Jahr am 1. Weihnachtstag, das reicht ja nicht für die Läuferplakette.

Hast du irgendwann in der Woche 30 Minuten Zeit? Dann reserviere in dieser Woche und in den kommenden sechs Wochen jeweils mindestens 30  Minuten deiner Zeit. Gern auch etwas mehr, bis zu einer Stunde. Mehr ist überhaupt nicht nötig, es sei denn, du musst in der Zeit noch mit den öffentlichen, mit dem Rad oder mit dem Auto zum Laufen irgendwo hin fahren. Das würde ich dir am Anfang allerdings gar nicht empfehlen. Also, es geht darum, dass du dir für die nächsten sechs Wochen mindestens an einem Tag in der Woche Zeit zum Laufen reservierst. Und bitte tu das in deinem Kalender, schriftlich. Immer am Samstag Nachmittag von mir aus, oder Sonntag vormittag, oder an dem Abend, an dem dein Man zum Kegeln geht oder deine Frau zum Pilates. Und wenn es Kinder oder Eltern zu betreuen gibt, dann wechselst du dich mit deinem Partner ab.

Für sechs Wochen trägst du dir das jetzt schon in im Kalender ein. Und neben deinem Kalender machst du sechs Felder. Jedes Mal, wenn du gelaufen bist, malst du einen Smiley oder ein Häkchen in eines der Felder. Wenn alles Felder voll sind, dann ist dein Laufreflex fertig. Wissenschaftler haben herausgefunden, das es etwa sechs Wochen dauert, bis etwas, das du wöchentlich tust, zu einer neuen Gewohnheit geworden ist. Und genau darum geht es. Wir wollen Laufen zu deiner Gewohnheit machen, denn sobald du gewohnheitsmäßig läufst, bist du ein Läufer. 

Für diese erste Woche brauchst du nur ein paar bequeme Sportschuhe und bequeme Klamotten. Du kannst für den Anfang irgendwelche alten, ausgelatschten Turnschuhe tragen und einen alten Trainingsanzug. Es spielt am Anfang keine Rolle, ob du ausgewiesene Laufschuhe trägst oder ein paar Sneakers. Zieh dir irgendwas an und geh raus. Natürlich kannst du in ein Sportartikelgeschäft gehen und dich komplett neu einkleiden. Ich würde damit noch ein paar Tage warten. Nächste Woche gebe ich dir dazu noch ein paar Tipps.

Du brauchst eine Strecke. Wirklich? Nicht unbedingt. Ist deine Nachbarschaft einigermaßen sicher? Dann kannst du einfach zur Tür hinaus laufen und los gehts. Toll ist, wenn du einen Park, Felder, Wiesen oder ein Waldstück in der Nähe hast. Dann läufst du dort hin, drehst deine Runde und läufst zurück. Ich laufe direkt zur Haustür raus. Ein Stück durch die Stadt, in den Park, von dort in den nächsten und zurück. Wenn es dunkel ist, im Winter zum Beispiel, laufe ich auch durch die Stadt, wo es beleuchtet ist. Natürlich kannst du auch mit dem Rad oder mit dem Auto irgendwohin fahren. Das ist aber riskant, weil es aufwendiger ist und die Gefahr besteht, dass du irgendwann sagst, „ach das ist mir heute zu kompliziert“. Und dann wird es nichts mit dem Laufreflex. Das wäre fatal. Die Schwelle, die du jedes Mal überwinden musst, sollte so klein wie irgendwie möglich sein. Je weniger du vorbereiten musst, umso besser. Ich brauche genau zwei Minuten vom der Idee „ich könnte schnelle ´ne Runde laufen gehen“, bis ich mit Schuhen an den Füßen vor meiner Haustür stehe und loslaufe. Das ist wichtig, denn je schneller das geht, um so weniger Zeit bleibt dir, es dir anders zu überlegen. Je einfacher du es dir machst, umso eher und umso häufiger wirst du laufen.

Also, du stehst mit Turnschuhen an den Füßen auf der Straße und dann? Hängt davon ab. Wenn du laufen kannst, dann lauf einfach los. Ganz locker, ganz entspannt. 10-15 Minuten in die eine Richtung, dann drehst du um und die gleiche Strecke zurück. Vielleicht kennst du eine Runde, die von der Länge her passt. Prima.

Wenn du noch nicht 20-30 Minuten am Stück laufen kannst, dann gehst du erst einmal ein Stück. Stramm gehen, große, schnelle Schritte, damit du schon Mal warm wirst. 5 Minuten vielleicht. Wenn du damit schon aus der Puste bist, dann geh in dem Tempo weiter. 10-15 Minuten in die eine Richtung und dann zurück. Fertig. Das machst du ein paar Mal und dann baust du kleine Lauf-Passagen ein.

Wenn du das mit den Lauf-Passagen schon hinbekommst, dann gehst du dich ein Stück warm und nach ein paar Minuten läufst du ein kleines Stück, dann gehst du wieder ein Stück und läufst wieder ein Stück und so weiter. 10-15 Minuten in die eine Richtung und dann zurück.

Das richtige Gefühl!

Beim Laufen solltest du folgendes Gefühl haben: „Anstrengend aber geht noch“. Sobald das Gefühl übergeht in ein „boa, jetzt kann ich gleich nicht mehr“ hörst du auf und gehst. Solange bist du wieder das Gefühl hast „ein Stückchen laufen könnte ich jetzt wieder“. Laufen ist Gefühlssache.

Nochmal:

  • Bei „ein Stückchen könnte ich jetzt laufen“ läufst du los
  • Bei „strengt an aber geht noch“ läufst du weiter.
  • Bei „jetzt kann ich gleich nicht mehr“ hörst du auf und gehst.

20-30 Minuten für den Anfang. Das kannst du dann nach Belieben langsam steigern auf 45 Minuten oder eine Stunde. Aber damit kannst du dir Zeit lassen. Und wenn du fertig bist, dann gehst du heim und machst am besten gleich, noch vor dem Duschen, dein Häkchen in deinen Kalender. Und gleich jetzt, noch vor dem Duschen, planst du unbedingt den nächsten Lauf. Damit wartest du auf keinen Fall bis zur nächsten Woche. Nicht einmal bis zum nächsten Tag. Plane gleich nach dem Lauf den nächsten Lauf. Und dann, duschen, bequeme Klamotten anziehen und im Idealfall eine leichte Mahlzeit, eiweißreich und wenig wenig Kohlenhydrate. Das Eiweiß brauchst du für deine Muskeln und für dein Immunsystem. Und wenn du nach dem Laufen keine Kohlenhydrate isst, dann bleibst du noch für Stunden in der Fettverbrennung. Kohlenhydrate, Brot, Pasta oder Pizza würden die Fettverbrennung sofort stoppen und das wäre ja echt schade. Besser als Brot, Pasta und Pizza sind Gemüse, Salat und Putenbrust, Eier oder Quark.

Super. Du warst, laufen. Auf die eine oder andere Art. Und das machst du sechs Wochen lang und dann hörst du NICHT damit auf. Start and don´t quit. In sechs Wochen bist du ein Läufer. Denn selbst dann, wenn du Anfangs nur ein paar Mal ein kurzes Stück wirklich gelaufen bist, läufst du inzwischen vermutlich längst 20 oder 30 Minuten am Stück. Und vermutlich bist du ja nicht nur ein Mal pro Woche gelaufen, sonder zwei oder gar drei Mal. Inzwischen spürst du dann auch schon, wie gut dir das tut und wie gut du dich fühlst, nach dem Laufen. Vermutlich hast dich auch auf der Waage etwas getan. Dein Herz-Kreislaufsystem ist stärker geworden, du bist fitter und einen Tick schlauer bist du auch schon.

Nächste Woche sprechen wir dann, versprochen, endlich, über Ausrüstung, Laufstil oder Lauftechnik, Pulsfrequenz und Trainingspläne.

Liebe „Ich-bin-doch-schon-längst“-Läufer. Sorry, für euch war das alles nichts neues, aber das musste sein, für die vielen „ich-wäre-so-gern“-Läufer. Und für alle, die gar nicht laufen WOLLEN, mit der gleichen Methode könnt ihr euch natürlich auch einen Schwimm-Reflex basteln, oder einen Yoga-Reflex oder Fitness-Studio-Reflex. Ganz nach belieben. Die Methode ist immer die Gleiche. 

Also, wann läufst du? Heute noch? Morgen? Samstag oder Sonntag?

Also, bis die Tage, wir hören uns. Dein Ralf Bohlmann

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