Ist Kalorienzählen sinnvoll, wenn ich abnehmen will?

Ich habe neulich eine Email mit folgendem Inhalt bekommen:

Lieber Ralf, 

du erwähnst immer wieder, dass man dir schreiben darf, wenn man fragen hat und ich bin jetzt an einem punkt gelandet, welcher mich einwenig depremiert und zu dem ich deine hilfe brauche.

Plateau…. im internet hat es einfach zu viele verschiedene antworten darauf und ich möchte mir nicht die ganze arbeit zunichte machen.. (viele schwören auf einen refeed oder cheat day…)

was denkst du…? bin jetzt mit 1300 kcal lange gut gefahren, kann es echt sein, dass ich noch mehr runterschrauben muss…??

Liebe grüße, Theresa

Da stellen sie mir verschiedene Fragen:

  • Wie alt, wie groß, wie schwer ist Theresa? Arbeitet Theresa auf dem Bau oder geht sie zur Schule? Treibt sie Leistungssport oder eher Instagram?
  • Wo steht Theresa und wo will sie hin?
  • Will sie Muskeln aufbauen? Fett abbauen? Stärker werden? Schlanker werden? Fitter werden? Gesünder werden? Attraktiver werden? Glücklicher werden?

Ohne diese Informationen, ist das so, als hältst du mit dem Auto an einer Kreuzung an und fragst einen Passanten: „Tach. Kann es sein, das ich nicht genug Sprit im Tank habe?“ Was würde jemand antworten?

  • Wieviel Sprit hast du denn?
  • Wie weit kommst´n damit?
  • Und wo willst du überhaupt hin?

Richtig? Ich habe dann über die Frage nachgedacht und angefangen zu spekulieren. Meine Fantasie bemüht. Völlig unwissenschaftlich. Fahrlässig geradezu ;-). 

Da war dieser Satz: „bin jetzt mit 1300 kcal lange gut gefahren, kann es echt sein, dass ich noch mehr runterschrauben muss…?? Plateau!“ Ich mutmaße also, das Theresa, 1.300 kcal am Tag zu sich nimmt, bisher damit abgenommen hat und nun nicht mehr. Dazu sind mir 2 Dinge eingefallen: Woraus bestehen denn diese Kalorien? Und natürlich die Zahl 1.300 Kcal an sich. Kann jemand sowenig essen und dabei gesund bleiben? Mal angenommen, diese Kalorien bestehen ausschließlich aus vitalstoffreicher, natürlicher Nahrung mit allem, was ein gesunder Körper braucht.

Ich hab im Internet nach einem Kalrienrechner gesucht: Google? Kalorienrechner! Ja was gebe ich da ein? Ich weiß ja nichts von Theresa. Ich hab mal meine Werte eingegeben:

  • Männlich
  • Alter 53 Jahre
  • Größe: 175 cm
  • Gewicht: 75 kg
  • Körperliche Aktivitäten: mittel (viel Sport) 

Das Ergebnis:

  • Grundumsatz: 1616 kcal
  • Kalorienbedarf: 3070 kcal am Tag.

Grundumsatz, ist die Energiemenge, die dein Körper zur Aufrechterhaltung der Überlebensfunktionen benötigt, wenn du 24 Stunden lang in einem Raum bei 28 Grad Celsius und mit nüchternem Magen! – schläfst. Den Grundumsatz, der bei solchen Kalorienrechnern und Kalorienempfehlungen immer genannt wird, kannst du komplett vergessen! Diese Zahl hat mit deinem Leben nichts zu tun. Sie ist nichts weiter als ein rein theoretischer Wert, der bestenfalls bei der Ernährung von Koma-Patienten eine Bedeutung hat.

Kalorienbedarf ist die Energie, die dein Körper benötigt also verbraucht, wenn du lebst. Der Kalorienbedarf, benennt die Energiemenge – nochmal die Energiemenge! – die dein Körper bei dem angegebenen Aktivitätsniveau möglicherweise verbraucht. Möglicherweise deshalb, weil diese Rechner einige entscheidende Parameterüberhaupt nicht berücksichtigen. Beispielsweise, woraus das Körpergewicht besteht. Wenn das nur aus Muskeln besteht, verbraucht dein Körper, auch wenn du schläfst, deutlich mehr Energie. Wenn dein Körpergewicht zu einem erheblichen Teil aus Fett besteht, verbraucht dein Körper deutlich weniger Energie.

Die Workshops im Herbst 2017. Jetzt vorab registieren!

  • Berlin am 30. September 2017
  • Köln am 14. Oktober 2017
  • München am 28. Oktober 2017
  • Hamburg am 11. November 2017
  • Stuttgart/Ludwigsburg am 25. November 2017

Geht auf ralfbohlmann.com/interesse und trag dich gleich unverbindlich ein. Dann wirst du informiert, sobald du dich anmelden kannst. Die Teilnehmerzahl ist begrenzt.

Die Kalorienrechner im Internet gehen darauf gar nicht ein. Sie sind also schon bei der ermittelten Energiemenge sehr ungenau. Und unabhängig davon, geht es beim ermittelten Kalorienbedarf nur um die Energie, die dein Körper vermutlich in einer groben Annäherung verbraucht. Wenn wir jetzt von Ernährung reden, dann ist Energie aber nur EINE Aufgabe deiner  Ernährung. Deine Ernährung muss dich neben der Energie aber auch mit anderen Dingen versorgen: Mit Baustoffen für deinen Körper, für neue Zellen für Haut, Haare, Fingernägel, Blut, Muskeln, Immunsystem, Hormone, Enzyme. Und mit Hilfsstoffen, wie Vitamine, Mineralien, Spurenelemente damit dein Körper überhaupt funktioniert. Bei den Kalorienrechnern ist immer nur von der Energie die Rede, die dein Körper möglicherweise verbraucht. Um Baustoffe für deine Glücks- und Antriebshormone und und Vitamine für dein Immunsystem geht es da gar nicht. Aber lassen wir das für den Moment mal außer Acht.

Bei mir sagt der Kalorienrechner: Kalorienbedarf 3.070 kcal am Tag Energieverbrauch. Ich habe mich gefragt, wie jemand aussehen muss der einen Kalorienbedarf von 1.300kcal hat. Ich habe eingeben:

  • Weiblich
  • Alter: 35 Jahre
  • Größe: 155 cm
  • Gewicht: 50 kg
  • Körperliche Aktivitäten: sehr leicht (wenig Sport)

Ergebnis:

  • Kalorienbedarf 1.749 kcal

Also eine relativ kleine, leichte, schlanke Frau, die sich kaum bewegt, hat vermutlich einen Kalorienbedarf von rund 1.750 kcal am Tag. Bei etwas Sport wären es schon 2.000 kcal. Ich habe viele Kombinationen aus Alter, Größe, Gewicht und Aktivitätsniveau ausprobiert. Ich bin nicht auf eine nachvollziehbare Energiemenge 1.300 kcal gekommen. 

1.300 kcal am Tag sind für die Allermeisten von uns viel zu wenig für schlank, kerngesund, topfit und voller Energie.

Aber ich will ja abnehmen! Mag der eine oder andere sagen. Da muss ich halte weniger Kcal essen als ich verbrauche. Ja das stimmt, aber wieviel weniger denn? Es gibt eine Zahl, die gern genannt wird, in dem Zusammenhang. Es heißt du sollst nicht mehr als 500 kcal weniger essen am Tag, als du verbrauchst. Nehmen wir mal diese Zahl. 500 kcal, dass bedeutet für mich 15% weniger essen, als ich verbrauche. Ich habe schließlich einen Energiebedarf von über 3.000 kcal am Tag. Mit 500 kcal weniger am Tag nehme langsam aber sicher ab. Immer vorausgesetzt mein Essen besteht aus vitalstoffreicher, natürlicher Kost.

500 kcal, das sind für einen kleinen, zarten, weiblich Coachpotato aber annähernd 30%! weniger als die verbrauchte Energie. Und genau hier liegt vermutlich das Problem von Theresa. Ohne das ich viel von Theresa weiß, kann ich mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit vermuten, dass ihr Kalorien-Defizit viel zu groß ist. Mit 1.300 kcal macht sie sie eine knallharte DIÄT mit all den bekannten Risiken. Für die allermeisten Menschen sind 1.300 kcal am Tag mal grundsätzlich viel zu wenig Der Körper stellt um, auf ein uraltes, hormonelles Programm mit dem Namen „Hungersnot-Überlebensprogramm“. Und was macht er genau?

  • er verlangsamt den Stoffwechsel
  • schützt die Fettreserven (wer weiß wie lange die Hungersnot dauert)
  • er baut Muskeln ab (schließlich wird Eiweiß überall gebraucht)
  • er stellt das Haar-Wachstum (nicht so wichtig in der Hungersnot)
  • er hört auf die Haut zu reparieren (nicht so wichtig in der Hungersnot)
  • die Fortpflanzungsfähigkeit wird auch eingestellt (Kinderkriegen ist viel zu riskant)
  • er senkt ganz allgemein die Stimmung (bleib lieber in der Höhle und verbrenn nicht so viele Körner…)

Das alles sind Mechanismen des Körpers, die in Zeiten der Not das Überleben sichern. Die Natur hat diese Mechanismen über Hunderttausende von Jahren entwickelt und sie sind noch immer in unseren Genen verankert. Springen solche Mechanismen an, bei einem Kaloriendefizit von 30%?  Ich denke schon. Theresa ist ja bereits an der Stelle, das sie bei 1.300 kcal am Tag nicht mehr abnimmt, obwohl sie laut Kalorienrechner deutlich mehr Energie verbrauchen müsste. Das ist nur erklärbar, durch das hormonelle „Hungersnot-Überlebensprogramm“, mit dem der Körper den Energieverbrauch drastisch reduziert. Und das tut er zu Lasten von Haut, Haaren, Fingernägeln, Muskeln, Immunsystem, Antrieb und Stimmung. Immer vorausgesetzt, die verbliebenen, gegessenen Kalorien bestehen aus den richtigen Vitalstoffen!! Wenn nicht, dann kommen wahlweise noch Akne, Allergien, Lebensmittelunverträglichkeiten, mitochondirale Schwäche, Pickel, Müdigkeit oder Depression dazu. Die Kalorienzählerei führt dich in die Irre führt. Da nimmt jemand 1.300 kcal zu sich, woraus auch immer die bestehen, und erreicht trotzdem seine Ziele nicht. Willst du wirklich weiter Kalorien zählen? 

Was überlegst du dir, wenn du ein Gemälde malen willst. Wieviel Farbe (in Litern) du verwenden möchtest? Oder welche Farbe es haben soll? Entscheidend ist doch, welche Farbe du nimmst, rot, grün oder blau, wie du sie mischst und wie du sie auf der Leinwand verteilst. Oder?

Ich habe noch nie ermittelt, wieviele Kalorien ich esse. Noch nie. Und ich kann mein Gewicht präzise steuern. Mein liebe Frau Nicole hat einen Sixpack der sich gewaschen hat. Sie käme nie auf die Idee, Kalorien zu zählen und sie ist dabei so schlank und definiert wie nie zuvor in Ihrem Leben. Warum klappt das bei uns? Weil wir uns viele Gedanken darüber machen was wir essen, und praktisch keine darüber wieviel. Und das funktioniert, weil wir unserem Körper die Chance geben, die Mengen die wir essen, über das Hunger/Satt-Gefühl selbst in die Hand zu nehmen. Das funktioniert fantastisch, wenn wir natürliche, unverarbeitete Lebensmittel voller Vitalstoffe zu uns nehmen. 

Was das bedeutet habe ich in meinem pdf „die 15 besten Tipps für deine Gesundheit“ ganz kurz und kackig zusammen gefaßt. Das kannst du dir hier kostenlos herunterladen. Ich empfehle dir auch, die Podcastfolgen #62 und #63 nochmal zu hören. Oder im Blog nachlesen: „Besser essen Teil 1 und besser essen Teil 2“.

Vergiss die Kalorienzählerei, kümmere dich mehr um die Qualität deiner Ernährung. Die beste Version von dir zählt keine Kalorien. Die beste Version von dir genießt leckeres, gesundes Essen und hat von ganz allein genug, wenn es genug ist. Und da kommst du auch hin, wenn du willst.

Liebe Grüße, dein Ralf Bohlmann

Join the discussion 4 Comments

  • Nik Paiha sagt:

    Lieber Ralf,

    wieder einmal eine sehr gelungene Folge !
    Danke für die Aufklärungsarbeit die Du leistest. Bitte mache weiter so !

    Eine kleine Idee: hast Du schon mal daran gedacht, ob es Sinn macht ein Seminar auch in Österreich anzubieten? Ist nur so eine Idee!

    Keep on going,….

    Liebe Grüße aus Österreich

    Nik

    • Ralf Bohlmann sagt:

      Hallo Nik,
      ich würde sehr gern nach Österreich kommen für einen Workshop. Leider kann ich überhaupt nicht einschätzen, ob und wo es genügend Menschen gibt, die in Österreich einen Workshop mit mir besuchen möchten. Wenn sich 20 Menschen an einem Ort zu einer Zeit zusammenfinden, dann bin ich da! Es braucht nur jemanden der das organisiert 😉 Kennst du jemanden, der das machen würde?
      Liebe Grüße, Ralf

  • Marcus sagt:

    Hallo Ralf,

    Als ich sah das du einen Podcast hast; dachte ich erst „Wer hört denn Heute noch Podcasts?“ aber ich habe mich getäuscht.. dein Podcast gefällt mir richtig gut, sehr informativ. Ich zahle meine Kalorien nicht, aber ich weiß -/+ wie viele ich pro Tag brauche mit meiner Körpergröße, meinem Alter usw wenn ich trainieren gehe nach der Arbeit.
    Würde mich auf mehr Beiträge von dir freuen, aber du hast sicherlich viel zu tun.

    LG aus Berlin

    • Ralf Bohlmann sagt:

      Danke Marcus, Beiträge gibt es immer wieder zu den Themen im Podcast. Und vielleicht bleibst du ja auch am Podcast dran…
      Liebe Grüße, Ralf

Leave a Reply to Nik Paiha Cancel Reply